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nach einem Brief vom 19.07.1999 von
Herrn Professor Dr. Tilman Berger
Professor am Lehrstuhl für slavische Sprachwissenschaft
des Slavischen Seminars
der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen.
Allgemeine Aussagen zu slavischen Namen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, ob der Name Stavenow vom Ort Stavenow abgeleitet ist oder als Familienname neu gebildet wurde. Wenn er vom Ortsnamen kommt, so ist die Lage deutlich besser, denn zu den Ortsnamen gibt es zahlreiche Literatur, in der die ältesten Belege angeführt werden und wo verschiedene Vorschläge für die Etymologie gemacht werden. Wenn man annimmt, dass der Familienname direkt gebildet wurde, ist die Lage deutlich komplizierter. In der Regel verfügt man ja über keine so alten Belege wie bei Ortsnamen und gerade Familiennamen werden im Laufe der Zeit sehr entstellt. Wenn dann noch - wie beim Namen Stavenow - der Fall dazu kommt, dass die Namensbestandteile faktisch in allen slavischen Sprachen vorkommen, dann ist ohne Kenntnis der Familiengeschichte keine klare Aussage darüber möglich, wie der Name entstanden ist.
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Der Name "Stavenow" lässt sich ganz klar in drei Elemente aufgliedern und als *Stav-en-ov interpretieren. Zu den einzelnen Elementen ist folgendes zu sagen:
Die Wurzel stav- findet sich einerseits im slavischen Verb "staviti" 'stellen, setzen', andererseits im damit verwandten Substantiv "stav", das sich in folgenden Bedeutungen findet: altkirchenslavisch 'Stand, Gefüge', bulgarisch und slovenisch ("stava") 'Garbenhaufen', ukrainisch 'Teich', weissrussisch 'Wehr, Staudamm', sorbisch (staw) 'Stand, Beruf; alt auch Teich' (nachzulesen z.B. bei Max Vasmer, Russisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1950ff.).
Das Suffix -en- kann einerseits Passivpartizipien bilden, so dass "staven" als 'der Hin-, Aufgestellte' o.Ä. zu verstehen ist, andererseits könnte es aber auch um ein adjektivbildendes Element gehen, mit dem eine Ableitung vom oben genannten Substantiv gebildet wurde. Dann hätten wir ein Adjektiv mit der Bedeutung 'zum Teich/Wehr/Garbenhaufen usw. (oder auch Stand) gehörig'.
Das Suffix -ov- ist ein typisches namenbildendes Mittel der slavischen Sprachen. Es wurde im Slavischen zunächst zur Bildung von Adjektiven gebraucht, die ein Besitzverhältnis anzeigen. Daraus entstand einerseits die Bildung von Vatersnamen mit diesem Suffix (Ivanov = Sohn des Ivan). Von hier aus wurde dieses Element verallgemeinert zu einem Mittel, das besonders als Markierung für Personennamen dient (vor allem in den ost- und südslavischen Sprachen; im Westslavischen ist in dieser Funktion -ski verbreiteter). Es erfreut sich so großer "Beliebtheit", dass es sich auch bei Namentypen findet, die im Deutschen ohne weitere Wortbildungsmittel vorkommen (vgl. z.B. den Berufsnamen dt. Schmied, aber russ. Koval'ov zu "koval'" 'Schmied'). Andererseits ist dieses Suffix auch ein typisches ortsnamenbildendes Element; viele slavische Ortsnamen im heute deutschen Sprachgebiet haben dieses Element.
Übrigens gibt es auch deutsche Namen, die ziemlich ähnlich klingen. So wird etwa der Ort Stavenhagen allgemein mit niederdeutsch Stove 'Badestube, heizbarer Raum' in Zusammenhang gebracht (vgl. auch den Ausdruck Stövchen für ein Gerät, mit dem Kaffee oder Tee warm hält!). In Stavenow vermute ich dieses Element aber doch nicht, vor allem wegen der slavischen Endung.
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Bei der Suche nach verwandten Namen sind wir an verschiedenen Stellen fündig geworden: Das Wörterbuch der altpolnischen Personennamen ("Słownik staropolskich nazw", ed. Witold Taszycki, Wrocław usw. 1965ff.) nennt die alle im 15. Jh. belegten Bei- oder Familiennamen Staw und Stawiany/Stawieny/Stawiony (möglicherweise handelt es sich bei allen Belegen um dieselbe Person - denn fast alle heißen Nicolaus mit Vornamen...). Bei Zofia Kowalik-Kaleta, "Staropolskie nazwy osobowe motywowane przez nazwy miejscowe, Wrocław usw. 1981) findet sich außerdem der polnische Familienname Stawieński als Ableitung zum Ortsnamen Stawiany. Fur das Russische ist auch der Familienname Stavenkov belegt (mit -k-, die Form Stavenov haben wir nicht gefunden), außerdem gibt es verschiedene Ortsnamen mit dem Element "Staw" (nach dem "Russischen geographischen Namenbuch" von Vasmer und Brauer, 1964ff:
1. Nad Stawem in Galizien,
2. Staw, Vorwerk in Kaunas,
3. Staw, Dorf im Kreis Lublin,
4. Za Stavom in Wolhynien).
Schließlich nennt W. Wenzel (Studien zu sorbischen Personennamen, Bautzen 1994) einen Familiennamen Štafko (S mit Häkchen, also "sch"); er bietet als Erklärung entweder niedersorb. "staw" (s.o.) oder auch die Zugehörigkeit zu einer sorbischen Form des Namens "Stephan".
Insgesamt sagen diese Belege vor allem aus, dass der Name prinzipiell bei fast allen slavischen Volkern vorkommen kann, natürlich eher bei denen, bei denen Familiennamen auf -ov beliebt sind (etwa bei den Russen, Weißrussen, Bulgaren), aber durchaus auch anderswo. Es ist durchaus denkbar, dass der Name unabhängig voneinander mehrmals entstanden ist, denn die Wurzel taucht ja, wie gezeigt, in vielen Namen auf, und die beiden weiteren Elemente sind ebenfalls im "Baukastensystem" des slavischen Namenschatzes vorhanden.
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Und jetzt komme ich endlich zum Ortsnamen "Stavenow". Dazu habe ich das folgende Buch gefunden und konsultiert:
Wauer, Sophie: Brandenburgisches Namenbuch. Teil 6. Die Ortsnamen der Prignitz. Mit einem siedlungsgeschichtlichen Beitrag von Christa Plate. Weimar 1989.
In diesem Buch finden sich auf S. 235f. ausführliche Angaben zum Ort Stavenow im Landkreis Prignitz, der heute ein Ortsteil der Gemeinde Karstädt ist. Ich will hier die wichtigsten Angaben zusammenfassen:
Als älteste Belege werden angeführt:
1252 Gerhardus de St/a/uenow,
1275 Gerhardo de staueno,
1317 dem hus tvo Stauenow,
1345 jn stauenowe,
1354 Stafenow,
1421 zu stobnaw,
1448 Stauenow,
1666 zu Stawenow,
1703 Stavenow.
Im örtlichen Dialekt heißt der Ort Stomno oder Stobno.
(beide Male mit zwei langen "o"!)
Zur Geschichte heißt es: "1345 wird St. noch als Dorf aufgeführt. 1720/27 wird auf der wüsten Feldmark eine Gutssiedlung errichtet".
Als Quellen hierzu werden angegeben:
Schulze, Berthold: Neue Siedlungen in Brandenburg 1500-1800. Berlin 1939 (insbesondere S. 95).
Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil I Prignitz.
Bearbeitet von L. Enders. Weimar 1962. (Neu: 1997 ebenfalls Weimar)
Zur Herkunft des Namens heißt es schließlich, er komme aus dem altpolabischen *Stavenov- 'Ort eines Staven'. Polabisch bzw. Altpolabisch ist hier der Fachterminus für die Sprache der sog. Elbslaven, die auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Brandenburg und Sachsen lebten und im Zuge der deutschen Ostsiedlung allmählich assimiliert wurden. Der Personenname Staven wird von urslavisch *staviti 'stellen' abgeleitet, mit einem n-Suffix. Hinsichtlich der Bedeutung des Namens schweigt sich die Quelle aus, es muss aber auf jeden Fall - wie oben schon gesagt - so etwas wie 'der Hingestellte' oder 'der Aufgestellte' heißen. Es werden dann serbokroatische, altsorbische und alttschechische Parallelen aufgeführt, die hier übergangen werden können. Interessanter ist der Hinweis auf eine 1233 im Kreis Rostock erwähnte Wüstung namens Stauenisthorpe, denn hier geht es ganz klar um das 'Dorf von Staven'.
Abgelehnt wird die Herleitung als Ščawno ('Sauerampfergegend'), die sich offenbar in dem folgenden Buch findet:
Sack, J.: Die Herrschaft Stavenow. Köln/Graz 1959, Seite 61.
Außer der bereits erwähnten Literatur zitiert die Autorin schließlich noch zwei Nachschlagewerke, nämlich
Trautmann, Reinhold: Die elb- und ostseeslavischen Ortsnamen. 2. Teile. Berlin 1948, 1949. (insbesondere Bd. 1, S. 131 und 185)
Trautmann, Reinhold: Die slavischen Ortsnamen Mecklenburgs und Holsteins. Berlin 1950. (insbesondere S. 143).